Buchtipp

Bühlerhöhe von Brigitte Glaser

Brigitte Glaser: Brühler Höhe

1952, wenige Jahre nach Kriegsende, setzte sich Konrad Adenauer für das „Wiedergutmachungsgesetz“ ein, welches Opfern der Konzentrationslager ein wenig finanzielle Entschädigung bieten sollte. Die Stimmung der Bevölkerung der jungen Bundesrepublik war eher ablehnend, man wollte vergessen und fühlte sich selbst als Opfer. In wichtigen Staatsämtern saß zum Teil noch immer dasselbe Personal wie zur Nazizeit. Während der Beratungen zur Umsetzung des Gesetzes, die in den Niederlanden und Luxemburg stattfanden, wurde Adenauer mehrfach von Attentaten bedroht. Israel und den im sonstigen Ausland lebenden Juden war sehr am positiven Ausgang der Verhandlungen gelegen.

Diese historischen Fakten verquickt Brigitte Glaser mit einem spannenden Plot, der vor allem  im feinen Hotel Bühlerhof im Schwarzwaldspielt, wo Konrad Adenauer mehrmals zu Kuraufenthalten weilte. Auch das entspricht den Tatsachen, fand jedoch in Wirklichkeit später statt. Weitere Schauplätze sind ein Kibbuz in Israel und die marokkanische Stadt Tanger.

Die große Politik bricht Glaser herunter auf die Schicksale dreier Frauen, aus deren jeweiliger Sicht wir die Ereignisse miterleben.

Rosa Silberstein hat sich mit ihrer Schwester Rachel in den 30iger Jahren nach Palestina retten können. Alle anderen Familienmitglieder kamen im KZ ums Leben. Die Mädchen halfen im Kibbuz beim Aufbau des neuen Staates Israel. Jetzt schickt der Mossad Rosa auf die Bühlerhöhe, um Adenauer vor einem Attentat zu beschützen. Sie war als Kind mit ihrem Großvater und ihrer Schwester selbst zu Gast im Hotel und kennt sich dort aus.

Sophie Reisacher ist die Hausdame im Hotel Bühlerhöhe und muss sich wiederwillig ums Personal und die täglichen Belange des Betriebs kümmern. Sie träumt von einer Heirat, mit der sie in bessere Kreise aufsteigen kann. Als Witwe eines Deutschen kann Sie nicht zurück ins heimatlich Straßburg, das nun zu Frankreich gehört.

Agnes Rheinschmitt arbeitet als Büroangestellte im nahe gelegenen Hotel Hundseck, in dem der Bundeskanzler zur Frischzellenkur und zum Schwimmen angemeldet ist. Agnes stammt aus dem Tal und ist einfältig und abergläubig. Ihre ältere Schwester Walburg hat sich nach einem traumatischen Erlebnis mit marokkanischen Soldaten, die auf der Seite Frankreichs kämpften, vollständig mit Hund und Gewehr in den Wald zurückgezogen.

So wie die Schauplätze wechseln, erleben wir die Geschichte jeweils aus der Perspektive einer dieser Frauen. Todesfälle, Intrigen, Verdächtigungen halten uns in Atem. Lange bleibt im Dunkeln wie die Fäden zusammengehören und wer zu den Guten, wer zu den Bösen gehört. Das liegt vor allem auch an den zahlreichen männlichen Akteuren, bei denen bis zuletzt nicht ganz klar wird, ob man ihnen trauen kann. Als sich am Ende die Ereignisse überschlagen, gibt es noch überraschende Wendungen.

Brigitte Glaser ist es gelungen, eine große Geschichte in einen spannenden Roman zu verpacken. Selbst wer sich nicht für die politischen Hintergründe interessiert, wird doch vom gut geschrieben Krimi mitgerissen. Im Anhang bietet das Buch ein Glossar zu den Fakten rund um das „Wiedergutmachungsgesetz“ und die Verbindungen der Bundesrepublik zu Israel und Marokko. Außerdem gibt es ein Quellenverzeichnis – Brigitte Glaser hat umfangreich für dieses Buch recherchiert.

Eine klare Leseempfehlung für Liebhaberinnen (!) historisch fundierter Spannungsliteratur. Ja, ich glaube, das Buch wird vor allem Frauen ansprechen, da es vollständig aus der Perspektive von Frauen erzählt wird.

Bühlerhöhe : Roman / Brigitte Glaser. – Berlin: Ullstein, 2016. – 448 S., fest geb. 20 €. – ISBN 9783471351260 (erscheint im August 2016)

Dieser Buchbesprechung liegt die digitale Ausgabe als epub zu Grunde. ISBN 9783843713757 – 16,99 €

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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