Buchpreis,  Buchtipp

Drehtür / von Katja Lange-Müller

„Zweiundzwanzig Zigaretten und was ich noch zu sagen hätte.“ So hätte das Buch von Katja Lange-Müller auch heißen können. Asta Arnold steht im Münchener Flughafen beim Standascher hinter einer Drehtür. Nach einem langen Flug aus Nicaragua kommend, wartet sie auf ihren Koffer, der wohl woanders gelandet ist. Die gealterte Krankenschwester, die lange Jahre in Nicaragua gearbeitet hat, wurde zuletzt von ihren Kollegen gemobbt und mit einem One-Way-Ticket nach Deutschland zurückgeschickt. Da steht sie nun, auch metaphorisch an einer Drehtür ihres Lebens. Will sie wirklich nach Deutschland und als arme Rentnerin leben? Oder könnte sie zurück nach Nicaragua, wo sie sich auskennt und für die Armen noch lange nützlich wäre?

Diese Gedanken kommen ihr nicht strukturiert und bewusst. Vielmehr beobachtet sie durch die Glasscheibe des Flughafengebäudes verschiedene Personen, die sie an Menschen aus ihrem Leben erinnert. Oft glaubt sie gar, es könnte wirklich der Mensch sein. Mit jedem verbindet sie eine wichtige Episode in ihrem Leben, das wir auf diese Weise kaleidoskopartig zusammensetzen können.

Katja Lange-Müller kann erzählen, soviel steht fest. Sie weiß ganz genau, wie sie die Worte einsetzen und sezieren muss, um bestimmte Stimmungen und Assoziationen beim Leser zu erzeugen. Wir lassen uns in den Gedankenfluss der Protagonistin hineinziehen. Mir kam es so vor, als lausche ich unfreiwillig einem Gespräch am Nebentisch und könne nicht weghören. Fasziniert und zugleich bestürzt, dass einen das doch eigentlich gar nichts angeht.

Spannend auch, wie sie Asta von außen in dritter Person beschreibt, ihre Gedanken aber übergangslos in der Ich-Form präsentiert. So habe ich das noch nie gelesen. Genauso meisterhaft der Einfall, die Geschichten mit der Drehtür hinauswehen zu lassen.

Am Ende kehrt Asta überstürzt durch die Drehtür zurück ins Gebäude und… Aber das werde ich nicht verraten.

Drehtür : Roman / Katja Lange-Müller. – Kiepenheuer&Witsch, 2016. – fest geb. ; 224 S. – ISBN 978-3-462-04934-3 ; 19,00€

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary