Michael Angele, stellvertretender Chefredakteur der Wochenzeitung der Freitag, hat einen Abgesang auf das Papiermedium Zeitung geschrieben.
Ich halte ein sorgfältig editiertes Büchlein in der Hand: hellgrauer Pappeinband, der Schutzumschlag einer Zeitungsseite nachempfunden. Der Text ist ebenfalls wie eine Zeitungsseite in einer schmalen Spalte (11,5 mal 5,5 cm) auf die ohnehin schon kleine Seite gedruckt. Auf Seite 80 lese ich: „Es gibt viel Raum, die Seiten wirken aufgeräumt. Ich werde nicht recht warm mit der Samstagsausgabe der Süddeutschen…“ So kommt es mir auch hier vor.
Diesen hübschen Essay hätte man auch in einer Wochenendbeilage auf ein paar Seiten unterbringen können. Für 16 € habe ich eher das Gefühl einer Mogelpackung.
Dabei ist der Text durchaus lesenswert. Wir erfahren einiges über passionierte Zeitungsleser wie Thomas Bernhardt, Franz Xaver Kroetz, Harald Schmidt, Claus Peymann oder der ehemalige Wirtschaftsminister Werner Müller. Über Rituale, wie die obligatorische Suche nach der deutschen Tageszeitung wenn man im Urlaub ist. Und da muss es die Zeitung vom Vortag sein, so Angele, sonst hätte man auch zu Hause bleiben können. Sehr schön erklärt er den Unterschied zwischen kosmopolitisch (eine deutsche Zeitung in einer New Yorker Hotelhalle lesen) und Globalisierung (am selben Ort Spiegel online auf dem Ipad zu studieren). Er zählt alle Vorzüge einer entschleunigten Zeitungslektüre auf, meist im Vergleich mit den neuen digitalen Medien, die auch bei ihm durchaus ihr Recht bekommen. Schließlich ist er nicht von gestern.
Mir legt Angele zwischen lesenswerten Begebenheiten und Anekdoten zum Thema zu viel Wert auf die paar Berühmtheiten. Viel zu lang der Monolog Peymanns verglichen zur Länge des restlichen Textes.
Dieses Büchlein ist nicht schlecht. Mir fällt schon der ein oder andere Zeitgenosse ein, dem ich es statt Blumen mitbringen könnte. Und als solches kann ich es gelten lassen: ein nettes Mitbringsel zu einem interessanten Thema.
(Ps. Auch ich lese noch täglich die Lokalzeitung und am Wochenende die Zeit. Wie lange noch? Wer wird wirklich der letzte Zeitungsleser sein?)