Buchtipp

Ginsterhöhe / Anna-Maria Caspari

Roman | Ein Eifeldorf, das zwischen den Weltkriegen zum Spielball der Geschichte wird 

Ginsterhöhe / Anna-Maria Caspari

Eine Geschichte von Liebe und Mut in unruhigen Zeiten

1919: Albert kommt am Ende des ersten Weltkriegs in das kleine Eifeldorf Wollseifen von der Front nach Hause, wo ihn der Hof, seine Frau und sein kleiner Sohn erwarten. Ein schrecklicher Krieg ist vorbei. Alberts bester Freund ist, wie so viele junge Männer mit ihm, auf schreckliche Weise umgekommen.

Albert hat zwar überlebt, aber eine Kugel hat ihm das halbe Gesicht zerstört. Seine Frau fürchtet sich vor ihm, auch im Dorf wird geredet. Er selbst verliert fast seinen Lebensmut, bis ihm ein Chirurg in Bonn zu einem „neuen“ Gesicht verhelfen will.

Die Menschen in Wollseifen kommen langsam wieder auf die Beine und wollen den letzten Krieg schnell vergessen. Sie meinen, die neuen politischen Strömungen im fernen Berlin betreffen ihre kleine Welt in der Eifel nicht. Doch da haben sie sich getäuscht.

Ganz in der Nähe ihres Dorfes auf der Ginsterhöhe soll eine Schulungsstätte für den Nachwuchs des nationalsozialistischen Führungskaders gebaut werden. Vogelsang! Plötzlich liegt Wollseifen mitten im Geschehen. Es soll zum Vorzeigedorf werden. Alles was das Bild stören könnte – der polnische Vorarbeiter, die jüdisch-stämmige Gutsbesitzerin, das behinderte Kind – all das darf es nicht mehr geben.

Schnell kristallisiert sich auch im Dorf heraus, wer auf welcher Seite ist, wer Mitläufer oder gar Befürworter des braunen Regimes ist …

Anna Maria Caspari lässt uns in ihrer Dorfbiographie „Ginsterhöhe“ ganz nah ran ans Geschehen rund um Vogelsang und den Bau der Rurtalsperre. Wir erleben hautnah zusammen mit den Menschen im Dorf, wie es damals gewesen sein muss.

Bei der Lektüre fühlte ich mich an die Erzählungen meines Großvaters erinnert, der ebenfalls aus der Grenzregion Belgien / Deutschland stammte und mir oft von Kaffeeschmuggel, Landwirtschaft und schweren Zeiten berichtete. Er muss so alt wie Albert gewesen sein. Leider war ich zu jung, um meinem Großvater die richtigen Fragen zu stellen.

Gut, dass Romane wie „Ginsterhöhe“ diese Zeiten zum Leben erwecken, auch und gerade wenn sie schwierige Themen behandeln.

Interessant finde ich Casparis Kunstgriff, die Geschichte des Dorfs ganz auf der untersten Familienebene spielen zu lassen und die entferntere Politik in den Tagebuchaufzeichnungen des Dorfschullehrers wie einen Zeitstrahl daran anzulegen.

Und ja! Falls Sie sich das gerade gefragt haben: Man kann auch noch ein weiteres Buch mit Gewinn lesen, das die Zeit des Nationalsozialismus zum Thema hat. Vor allem wenn es so menschlich und mitfühlend erzählt ist, wie Anna-Maria Casparis „Ginsterhöhe“.

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Die Autorin:

Anna-Maria Caspari, geboren 1955 in Köln, lebt als Literatur-Übersetzerin und Autorin am Rand des Nationalparks Eifel. Die Geschichte des Dorfes Wollseifen, dem seine Nähe zu Vogelsang, einer Ordensburg der Nationalsozialisten, zum Verhängnis wurde, inspirierte sie zu dem Roman Ginsterhöhe.

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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