Mater Dolorosa / Jurica Pavicic
Buchtipp,  Krimi

Mater Dolorosa / Jurica Pavičić

Aus dem Kroatischen von Blanka Stipetić
Verlag Schruf & Stipetic, 2025


Ein Kriminalroman? Viel mehr als das.
Der neue Roman des kroatischen Autors Jurica Pavičić hat mich in seinen Bann gezogen. Mater Dolorosa beginnt mit einem Mord, aber schnell wird klar: Die Frage nach dem Täter steht nicht im Mittelpunkt. Stattdessen entfaltet sich ein psychologisch dichter, gesellschaftlich aufgeladener Roman über Moral, Schuld und das Schweigen.


Schuldig und Opfer zugleich
Was mich besonders gefesselt hat, ist die kunstvolle Verflechtung von Gegensätzen: Täter sind zugleich Opfer, Loyalität trifft auf Verrat, und jede Figur ringt mit ihrer eigenen Wahrheit.

Die Charaktere – etwa die junge Rezeptionistin Ines, ihre Mutter Katja oder der Polizist Zvone – werden mit großer Feinfühligkeit gezeichnet. Ihre Gedanken, Zweifel und Gewissensbisse wirken nach, lange nachdem man das Buch aus der Hand gelegt hat.


Alle können töten – auch sein Vater – aber er nicht.
Diese Szene, in der Zvone dem mutmaßlichen Täter gegenübersteht und die Gelegenheit hätte, Gerechtigkeit selbst zu vollstrecken, ist für mich eine der stärksten im Roman. Er entscheidet sich dagegen – nicht aus Schwäche, sondern weil er erkennt, dass es eine Grenze in ihm gibt, die er nicht überschreiten kann.
In einer Welt, in der das System versagt, ist seine Entscheidung ein stiller Akt von Stärke.


Ein Kammerspiel mit gesellschaftlicher Sprengkraft
Jurica Pavičić gelingt mit Mater Dolorosa ein intensives, moralisch vielschichtiges Kammerspiel. Die eigentliche Täterfigur bleibt blass – vielleicht ganz bewusst, denn die wahren Dramen spielen sich in den familiären und sozialen Räumen ab.

Der Roman stellt unbequeme Fragen: Wer trägt Verantwortung, wenn alle schweigen? Was ist Schuld in einem zersplitterten moralischen Gefüge? Und wie lange kann man sich selbst noch im Spiegel ansehen?


Fazit:
Ein stilles Meisterwerk, das die Krimiform sprengt und tief in die Abgründe einer Gesellschaft blickt, die zwischen Tradition, Kirche und westlicher Moderne zerrieben wird. Für Leserinnen und Leser, die literarisch fordernde, psychologisch dichte Romane lieben, ist Mater Dolorosa ein echter Geheimtipp.

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Über Jurica Pavičić
Geboren 1965 in Split, wo er heute lebt. Er ist einer der renommiertesten Autoren und engagiertesten Journalisten Kroatiens, wurde außerdem als Film- und Literaturkritiker mehrfach ausgezeichnet.
Pavicics erster Roman über eine Soldateska in Split wurde verfilmt, der Film Die Zeugen erhielt 2004 den Friedensfilmpreis der Berlinale. (Verlag)

Pavičić, Jurica: Mater Dolorosa. Aus dem Kroatischen von Blanka Stipetić. Berlin: Schruf & Stipetic, 2025. 304 S. ISBN 978-3-949876-12-3.
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