Buchtipp

Von Menschen und Bäumen

Ich habe gerade mit Genuss das Buch von Lars Mytting: „Die Birken wissen’s noch“ gelesen.

Ein junger Mann namens Edvard wächst auf einem ziemlich abgelegenen Bauernhof in Norwegen auf. Er wurde von seinen Großeltern erzogen, da seine Eltern bei einem Urlaub in Frankreich ums Leben kamen, als er gerade drei Jahre alt war. Er hat vage Erinnerungen an seine Mutter – an seinen Vater kann er sich nicht erinnern. Sein Großvater hat im Tal einen schlechten Ruf, da er im Krieg für die Deutschen gearbeitet hat. Einar, der Bruder des Großvaters, gilt als vor langer Zeit verschollen oder tot. Er war ein begnadeter Schreiner, den es früh aus dem Gudbrandsdalen nach Paris zog, um dort sein Handwerk zu verfeinern. Im ersten Weltkrieg war er als Soldat im verheerenden Gaskrieg an der Somme eingesetzt.

Soweit die Fakten, die auch Edvard bekannt sind. Das Buch setzt ein, als Edvards Großvater stirbt. Im Zuge der Beerdigungsformalitäten stößt er auf einige Hinweise über die mysteriösen Umstände des Todes seiner Eltern. Das Beerdigungsinstitut informiert ihn, dass schon vor einigen Jahren ein kunstvoll getischlerter Sarg für den Großvater geliefert wurde. Dieser ist so wunderschön aus dem Holz der Flammbirken, die auf dem Grundstück des Bauernhofs wachsen, dass er nur von Einar sein kann. Also kann dieser doch noch nicht so lange tot sein. Vielleicht ist er auch gar nicht wirklich verschollen. Edvard spürt, dass ihm der Großvater und auch der alte Pfarrer des Ortes lange die Wahrheit vorenthalten haben.

Nun beginnt eine spannend erzählte Suche nach Edvards Wurzeln, die ihn über die Shetlandinseln bis nach Frankreich führen. Edvard, der bisher noch nicht wirklich aus seinem Tal herausgekommen ist, macht sich ein wenig naiv auf die Suche nach Einar. Er lässt Hanna,  eine gute Freundin aus dem Tal, zurück und lernt auf den Shetlandinseln die reiche und weltgewandte Engländerin Gwendolin kennen. Auch sie hat ein Interesse an der alten Geschichte, denn ihr Großvater hatte mit Edvards Großonkel Einar wohl eine alte Rechnung offen. Obwohl sich Edvard und Gwen zu einander hingezogen fühlen, bleiben sie misstrauisch, weil sie nicht wissen, wie sie zueinander stehen werden, wenn alle Fakten offengelegt sind.

Was als zeitgenössische Erzählung aus den Wäldern Norwegens beginnt, entpuppt sich als großangelegte Familiensaga, die das ganze 20. Jahrhundert und gravierende Meilensteine der Geschichte umfasst.

Toll gemacht, spannend wir ein Krimi. Eine klare Leseempfehlung!

Lars Mytting ist Journalist und Verleger, derselbe Jahrgang wie seine Hauptfigur Edvard (1968), lebte selbst auf einem norwegischen Bauernhof und hat jede Menge Erfahrung mit Holz. Nach „Der Mann und das Holz. Vom Fällen, Hacken und Feuermachen“ ist „Die Birken wissen’s noch“ sein zweites Buch, in dem die Holzverarbeitung einen großen Stellenwert einnimmt.

Die Birken wissen’s noch. Roman / von Lars Mytting. Aus dem Norwegischen von Hinrich Schmidt-Henkel. – Insel, 2016. – Gebunden, 516 Seiten. – ISBN: 978-3-458-17673-2 ; 24,95 €

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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