Buchtipp

Laufen / Buch und Lesung mit Isabel Bogdan

Eine Einladung von Kiepenheuer & Witsch zu einer weiteren Folge „Kiwi am Dom“. Isabel Bogdan stellt ihr neues Buch „Laufen“ vor. Ich sage gerne zu, weil ich weiß, dass sich hier immer eine nette Runde von Büchermenschen aus Köln und Umgebung trifft.

Von der Autorin hatte ich noch nichts gelesen. Ein paar Tage hatte ich noch, also habe ich mir – nebenbei – das Hörbuch von „Der Pfau“, gesprochen von Christoph Maria Herbst, „reingezogen“. Allerdings war es eher umgekehrt – es zog mich hinein. Was für ein Spaß! Very britisch, englischer Humor, schönste Sprache, Tempo.

Ich wusste schon, dass das neue Buch ganz anders sein sollte. Gar nicht lustig – ein ganz anderes Genre. „Laufen“ – eine Frau läuft einem großen Kummer davon. Schade eigentlich. Warum nicht „Pfau 2“?

Und dann der Abend in Köln. Es wurde voll. In den schmalen Gängen von „Kiwi am Dom“ drängelte man sich mit Häppchen und Getränken. Endlich ging es los – vier Frauen traten ans Mikrofon: Sabine Glitza, Kerstin Gleba, Helga Frese-Resch und Isabel Bogdan. Eine nach der anderen begrüßte die Gäste, bis nur noch die Autorin und ihre Lektorin Helga Frese-Resch übrig blieben.

Von links nach rechts: Kerstin Gleba, Isabel Bogdan, Helga Frese-Resch, Sabine Glitza ©e_mager

Isabel Bogdan beginnt zu lesen. Atemlos. Sie läuft und läuft – wir quälen uns mit ihr und wissen: genauso ist es, wenn man nach langer Zeit wieder mit dem Laufen anfängt. Man will es, man will es nicht, es ist zu schwer, alles tut weh. Isabel Bogdan liest und liest. Und plötzlich ist das erste Kapitel vorbei. Sie hält inne – Applaus!

Mein erster Gedanke: wie wunderbar, dass sie nicht „Pfau 2“ geschrieben hat, wie wunderbar, dass hier etwas ganz anderes entstanden ist.

Ich möchte jetzt bitte allein sein und weiterlesen.

Ihre Lektorin verwickelt sie nun in Fragen, stellvertretend für uns alle, denn sie kennt schon alle Fragen und nimmt auch manchmal schon die Antworten vorweg. Nein, es ist kein autobiographischer Text!

Isabel Bogdan ist wundervoll. Unverkrampft, locker, sehr sympathisch. Sie hat auf alle Fragen eine schnelle und aufrichtige Antwort, auch wenn diese dann lautet – „Darüber habe ich noch gar nicht nachgedacht. Hmm, muss ich mal machen.“

Und nun zum Text. Ja, es ist ein schweres Thema. Eine nicht mehr ganz junge Frau erleidet einen schweren Schicksalsschlag. Ein Jahr nach dem Ereignis beginnt sie mit dem Lauftraining, weil ihre Freundin Rike sie dazu ermuntert. Sie läuft sich frei. Wir begleiten sie in ihrem nicht endenden Gedankenfluss durch die Straßen und Parks von Hamburg während der folgenden 12 Monate. Schafft sie am Anfang mit Ach und Krach zwanzig Minuten durch den Hammer Park, so läuft sie am Ende beim Alsterlauf mit.

Schafft sie es auch, ihrem Kummer wegzulaufen?

Das will ich nicht verraten. Lesen Sie selbst – es ist auf jeden Fall eine Bereicherung.

mit Widmung 😉 ©e_mager

Eine Teilnehmerin des selben Abends schreibt auf Instagram, dass sie das Buch wahrscheinlich nicht lesen möchte, um sich nicht von den schweren Gedanken herunterziehen zu lassen. Ich habe da keine Angst, denn Isabel Bogdan baut in diesen Text so viel Wärme und Humor und wunderschöne Sätze ein. Mit so einem Buch kann ich mich einem schweren Thema nähern, ohne in Gefahr zu geraten. Ich lerne dabei meine eigenen Gefühle und Gedanken kennen, ohne selbst betroffen zu sein. Das könnte helfen, wenn ich wirklich einmal betroffen wäre, persönlich oder bei einer mir nahe stehenden Person. Ein Buch ist für mich wie eine Impfung mit abgeschwächten Viren. Ich lerne dazu, ohne eine bittere Erfahrung selbst machen zu müssen.

Eines meiner Lieblingszitate aus „Laufen“: „…, jeder Mensch ist eine Zumutung, und das ist auch gut und richtig so und hat damit zu tun, Mut zu haben und jemanden anzunehmen und umgekehrt dem anderen den Mut zuzutrauen, einen selbst anzunehmen, …“

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Zur Autorin

Isabel Bogdan, geboren 1968 in Köln, studierte Anglistik und Japanologie in Heidelberg und Tokyo. Sie verfasste zahlreiche Übersetzungen, u.a. von Jane Gardam, Nick Hornby und Jonathan Safran Foer. 2011 erschien ihr erstes eigenes Buch, »Sachen machen«, bei Rowohlt, außerdem schrieb sie Kurzgeschichten in Anthologien. 2006 erhielt sie den Hamburger Förderpreis für literarische Übersetzung und 2011 den für Literatur. 2016 erschien ihr Roman »Der Pfau«, der ein Bestseller wurde. (Verlagstext)

Laufen. Roman / Isabel Bogdan. – Köln: Kiepenheuer & Witsch, 2019. – 198 S. – ISBN 978-3-462-05349-4

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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