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Der Salzpfad / Raynor Winn

Bücher in Krisenzeiten anders gelesen

Ich habe gerade „Der Salzpfad“ von Raynor Winn beendet. Ein Erlebnisbericht aus dem Genre „Reiseerfahrungen“. Unter anderen Umständen gelesen hätten wir hier eine anrührende Beschreibung über den landschaftlich sehr reizvollen „South West Coastal Path“ zwischen Poole am Ärmelkanal um Land‘s End herum bis nach Minehead am Bristolkanal. Etwas mehr als 1000 Km.

In die Hand genommen habe ich das Buch nur, weil ich dachte, es handele sich um einen Roman. Cover und die Aufkleber „Spiegel Bestseller“ und „Das inspirierendste Buch des Jahres.“(The Times) haben mich in die Irre geführt. Es wird auch in unserer Bücherei bei Belletristik stehen – da wird es mehr LesreInnen finden. Die Enttäuschung darüber, dass es kein Roman ist, vergeht schnell, denn die Spannung ist vom Prolog an sofort da. Und dann ist es auch überhaupt kein „Reisebericht“ – auch dort, unter den Reiseführern, wäre es fehl am Platz.

Wir erleben Raynor und Moth, ein Ehepaar um die 50, an einem Wendepunkt ihres Lebens.

Geht es überhaupt noch schlimmer?

Nach einem bewegten Leben mit einer kleinen Farm und zwei Kindern, die zu netten Erwachsenen herangereift sind, stehen die Winns nun vor dem Nichts. Ein vermeintlicher Freund hat sie mit einer Bürgschaft in den Ruin getrieben. Zu allem Unglück bekommt Moth die Diagnose, unheilbar krank zu sein. Wie lange er noch leben wird, kann kein Arzt sagen. Wie lange er sich noch bewegen kann, ist auch nicht sicher.

Was kann man in einer solchen Situation tun? Wie würde ich reagieren?

Rynor und Moth vertagen die Antwort auf diese Fragen und machen sich auf den Weg.

Es ist Juli, es wird ein heißer Sommer. Sie schultern ihre unmodernen Rucksäcke mit dem was sie tragen können und beginnen den Pfad in Minehead, der schwierigen Seite des Weges.

Wir begleiten sie auf ihren Strapazen und Mühen, bei den eiskalten Nächten, in den verschwitzen Klamotten, spüren die Peinlichkeit, wenn man sie für Obdachlose hält, was sie ja auch wirklich sind. Wir fühlen Moth‘ Schmerzen, wenn er nach zu langen Pausen seine steifen Glieder wieder in Gang bringen muss.

Sie schaffen bis Ende Oktober nicht den ganzen Weg, dürfen im Winter bei einer Freundin in einem Schuppen übernachten und gehen im nächsten Sommer den Rest des Weges. Am Ende gibt es ein klitzekleines Happyend.

Ich lebe gerne draußen, gehe gerne wandern und kenne die Not, am Abend ein geeignetes Lager zu finden. Auch die schmerzenden Füße sind mir nicht fremd. Deshalb bin ich den beiden mit Leidenschaft und Entsetzen über diesen Pfad gefolgt – ich möchte nicht tauschen und empfinde großen Respekt für ihren Mut und ihr Durchhaltevermögen.

Dieses Buch jetzt zu lesen, in einer globalen Krise, deren Ausgang wir nicht kennen, kann uns Mut machen, durchzuhalten und auf die Wendung zum Guten zu hoffen.

Moth und Raynor waren mit ihrer Krise ganz alleine – wir sind es nicht. Bücher wie diese zeigen uns, wie viel ein Mensch ertragen kann und helfen uns durch schwere Zeiten.

Über die Autorin

Seitdem Raynor Winn den kompletten South West Coast Path gelaufen ist, unternimmt sie regelmäßig Fernwanderungen und schreibt über Natur und Wildcampen. Sie lebt derzeit mit Ehemann Moth und Hund Monty in Cornwall. „Der Salzpfad“ ist ihr erstes Buch und wurde in England in kürzester Zeit zum von Buchhändlern, Lesern und Kritikern gleichermaßen euphorisch gefeierten Sunday-Times-Bestseller. (Verlagstext)

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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