Nonna / Thomas de Padova
Biographie,  Buchtipp,  Gastland Italien

Nonna / Thomas de Padova

Wie schön, wenn man die letzten Stunden der eigenen Oma begleiten darf, obwohl man eigentlich fast 2000 Km entfernt wohnt. Ist es Zufall, Fügung oder ihre unbewusste Entscheidung, jetzt in Frieden gehen zu können?

Nonna / Thomas de Padova (Hanser, 2018)
Nonna / Thomas de Padova (Hanser, 2018)

Wie auch immer. Thomas de Padova hat eine besondere Beziehung zu seiner Nonna auf dem Gargano, dem Sporn des italienischen Stiefels. Er selbst, in Bonn geboren, lebt nun in Berlin.

Er erinnert sich an seine Sommerferien bei den italienischen Großeltern in Mattinata, Apulien. Als Erwachsener kehrt er zurück und versucht, aus den wenigen Erklärungen der Großmutter, die Geschichte der Familie zusammenzusetzen.

Dafür lernt er extra italienisch. Seine Eltern, eine deutsche Mutter und ein ehemaliger italienischer Gastarbeiter, der die deutsche Staatsbürgerschaft angenommen hat, haben es ihm nicht beigebracht. Die Ferien an der Adria funktionierten auch ohne die Landessprache.

Nun stellt er fest, dass die Nonna ausschließlich Dialekt spricht. Aber er bleibt dran, fügt sich in den Alltag eines süditalienischen Fischerdorfes, welches nach einem verheerenden Erdbeben am 1. Juli 1893 den Berg hinauf umgesiedelt wurde.

„Wer Verwandte in der Umgebung hatte, bei denen er Unterschlupf finden konnte, verließ das Dorf. Andere überlegten, ob es nicht besser wäre, einen neuen Anfang in Übersee zu machen, als das Leben auf den Trümmern der Vergangenheit aufzubauen.“

S. 85)

De Padova spricht mit den Einheimischen. Er fügt sich auch in den Rhythmus der Großmutter, die sich fast nicht mehr aus ihrem Stuhl hinter der Eingangstür erhebt. Sie hat Aufträge für ihn – Bankgeschäfte, Einkäufe. Sie ist eine sparsame Frau, hat immer für den Lebensunterhalt ihrer Familie genäht und das Geld zusammengehalten.

»Nur diese Dinge sollst du für mich erledigen: die Schränke abstauben und die Bilder abhängen, damit ich die Rahmen saubermachen kann, Streichhölzer und Nudeln einkaufen und mir bei einem kleinen Bankgeschäft helfen.«

(S. 28)

Thomas de Padova gelingt es, diesem luftigen „Sommerbüchlein“ ausgehend von der Begegnung mit der alten „Nonna“, eine Skizze von vier Generationen männlicher Vorfahren zu zeichnen. Die Geschichte geht vom Gargano nach Amerika, wieder zurück, dann nach Deutschland und endet wieder im kleinen Dorf Mattinata, welches von der Morgensonne beschienen wird. Eine Auswanderergeschichte und die Bedingungen für die „weißen Witwen“ – die Frauen, welche zu Hause blieben und auf das Geld aus dem Ausland warteten. Oft vergebens.

„Monte Sant‘Angelo überragt Mattinata um achthundert Meter. Auf den terrassierten Berghängen wachsen Ölbäume, dazwischen Mandel- Feigen- und Johannisbrotbäume in abgestuftem Grün. Staubige Wege schrauben sich abseits der Straße nach oben, auf denen man während des Aufstiegs keiner Menschenseele begegnet. In der ungeheuren Lichtfülle und zirpenden Stille schweift der Blick über die Adria.“

(S. 112)

Das kleine Buch atmet die Ruhe eines heißen Sommertages, an dem nur die Zikaden, der Wind und das Rauschen des Meeres zu hören ist. Und doch enthält er mehr als hundert Jahre Familiengeschichte.

„Nonna“ könnte eines der Bücher sein, die ich gerne auch mehrmals lese.

Nonna / Thomas de Padova. – Hanser: Berlin, 2018. – 175 S. – ISBN 9783446258570

Über den Autor

Thomas de Padova, 1965 in Neuwied am Rhein geboren, studierte Physik und Astronomie in Bonn und Bologna. Er war Wissenschaftsredakteur beim Tagesspiegel und arbeitete 2014 als Journalist in Residence am Max-Planck-Institut für Wissenschaftsgeschichte. Zuletzt erschien 2015 „Allein gegen die Schwerkraft“ bei Hanser. (Verlagstext)

neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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