Umberto Eco "Pape Satàn"
Buchtipp,  Gastland Italien,  Sachbuch

Pape Satàn / Umberto Eco

Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen

„Pape Satàn, pape Satàn aleppe“, eröffnet Dante den VII. Gesang des Infernos seiner „Göttlichen Kommödie“, mit Verwunderung, Schmerz, Zorn, Verfluchung und vielleicht mit Ironie. Dieser Vers ist dafür bekannt, dass seine Bedeutung bis heute unverständlich geblieben ist.

Der Titel „Pape Satàn“ für das letzte Buch Umberto Ecos kann also so verstanden werden, dass es viele Dinge anspricht, die wir noch nicht wirklich durchdrungen haben. Es ist also ein höchst philosophisches Buch.

Es handelt sich hier um eine Auswahl der so genannten Streichholzbriefchen – die „Bustine di Minerva“ – die Umberto Eco seit 1985 als wöchentliche, später zweiwöchige Kolumne auf der letzten Seite des Nachrichtenmagazins „L’Espresso“ schrieb.

„Wenn die Innenseite der Klappe einmal zufällig frei von Reklame ist, pflegen gedankenvolle Männer sich darauf vage Ideen zu notieren, Telephonnummern von Frauen, die sie eines Tages womöglich lieben sollten, Titel von Büchern, die sie kaufen oder vermeiden wollen.“

(zitiert nach Wikipedia, Streichholzbriefe (am 13.10.2018)

Bei der vorliegenden Auswahl handelt es sich um Beiträge, die zwischen 2000 und 2015 erschienen sind. Da Eco, wie so viele auch, beobachtet hat, dass in unserer Gesellschaft sich vieles verändert, im Fluss ist, nennt er auch unsere Gesellschaft eine fluide, eine flüssige Gesellschaft.

Ecos letztes, nach seinem Tod am 19.02.2016, erschienene Buch gibt es jetzt in einer Taschenbuchausgabe bei dtv, nachdem es im Januar 2017 schon bei Hanser als Hardcover herauskam. Vorgänger sind unter anderem „Wie man mit einem Lachs verreist“ und „Derrick oder die Leidenschaft für das Mittelmaß“. 

Umberto Ecos philosophische Einlassungen, die wieder einmal von Burghart Kroeber gelungen übersetzt wurden, haben nur wenig von ihrer Aktualität verloren, selbst wenn er sich über Phänomene der Digitalisierung auslässt. Es handelt sich um eine amüsante Zusammenstellung von Themen, die oft provokant formuliert sind und die man zum Anlass für Partydiskussionen machen könnte, wenn diese mal die Ebene des Small Talks verlassen möchte. Man darf im Buch springen, man darf sich Episoden herauspicken, man darf sogar von hinten anfangen zu lesen.

Oft konnte ich bei der Lektüre ausrufen, „Genauso habe ich es auch schon gedacht!“ oder aber „So habe ich das Ganze noch gar nicht betrachtet.“

Es ist ein Buch – der Verlag nennt es „Umberto Ecos letztes Geschenk an seine Leser“ – das uns helfen kann, ein bisschen besser die Welt zu verstehen. Deshalb passt es gut zum kürzlich erschienenen Buch von Alessandro Baricco „Die Barbaren„, welches ich an dieser Stelle vor einiger Zeit besprochen habe.

Kleine Leseprobe in beiden Sprachen

Interessant finde ich hier die Wahl der Zeitform in der Übersetzung. Was Eco in der Vergangenheit berichtet, setzt Kroeber in die Gegenwart.

Il telefonino e la regina di BiancaneveDas Handy und Schneewittchens böse Königin
Andavo sul marciapiede e mi sono visto venire incontro una signora incollata al suo telefonino, che pertanto non guardava davanti a sé. Se non mi fossi scansato ci saremmo urtati. Siccome sono intimamente malvagio, mi sono fermato di colpo e mi sono voltato dall’altra parte, come se guardassi in fondo alla strada: così la signora è venuta a schiantarsi contro la mia schiena…Ich gehe auf dem Bürgersteig und sehe, dass mir eine Dame entgegenkommt, die auf ihr Handy starrt und daher nicht sehen kann, was vor ihr ist. Wenn ich nicht ausweiche, werden wir zusammenstoßen. Da ich im Innersten bösartig bin, bleibe ich plötzlich stehen und drehe mich um, als blickte ich zurück in die Straße. So prallt sie gegen meinen Rücken…

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Pape Satàn : Chroniken einer flüssigen Gesellschaft oder Die Kunst, die Welt zu verstehen. / Umberto Eco. Ausgewählt, übersetzt und eingerichtet von Burkhart Kroeber. (EST: Pape Satàn Aleppe. Cronache di una società liquida). – DTV: München, 2018. – ISBN 9783423146487

Weitere Infos siehe:
Umberto Eco LA BUSTINA DI MINERVA
http://espresso.repubblica.it/opinioni/la-bustina-di-minerva
Burkhart Kroeber: ECO ÜBERSETZEN – Erfahrungen in zwanzig Jahren


neugierig, wissbegierig, biblioman, non binary

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